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Kräfteverteilung am Brückengeländer

kaptnblaubaer

Geocacher
Hallo zusammen,

meine Frage in die Runde.

Szenario: Ich möchte von einer Brücke abseilen an der ein stabiles Geländer vorhanden ist.
Jetzt mache ich mir Gedanken, wie die Kräfte auf das Geländer wirken wenn ich das Seil oben am Geländer anschlage oder unten am Geländer laut Bild anschlage?

Oder spielt das keine Rolle und die Kräfte wirken auf das Geländer bei beiden Anschlagpunkten gleich?

Bruecke.jpg


Ich freue mich auf viele Antworten.
Schöne Grüße

Kaptnblaubaer
 

Kappler

Geowizard
Ich würde mal sagen, die Kräfte sind gleich...

Aber generell würde ich das Seil wegen der Hebelwirkung nicht oben am Geländer befestigen, sondern am Fußpunkt der Geländerstütze.
Zum bequemeren "Einsteigen" ins Seil eventuell noch ein paar Schlingen oder eine Strickleiter als Griff ans Geländer, dann dürfte das passen...

Auch wenn das Geländer noch so stabil aussieht - in die Verankerung schaut man nicht hinein. Wenn man sich nur mal anschaut, was der DAV-Sicherheitskreis beim Überprüfen von (auch betonierten) Bohrhaken da so zum Teil feststellt... :hilfe:
 

Maggo77

Geocacher
in der ersten Variante ist die Kraft die auf das Geländer wirkt gleich der Kraft, die Du einleitest, in der zweiten Variante wirkt auf den Obergurt des Geländers die doppelte Kraft (Umlenkpunkt), allerdings sind in dieser Varainte die Hebelverhlätnisse deutlich ausgewogener, da Du in der oberen Variante schon ein relativ großes Moment auf die Geländerbefestingung bringt, das heißt die Schrauben dort werden auf Scherung belastet, das ist nicht im Sinne des Erfinders.
 

Nadiphan

Geocacher
Dann melde ich mich mal als Tragwerksplaner:
Ein Brückengeländer ist mindestens 1,20 m hoch, da i.d.R mit Fahrradfahrern zu rechnen ist. ;)
Brückengeländer sind für eine Last von umgerechnet 80 kg je laufenden Meter horizontal nach außen oder innen wirkend zu berechnen (DIN Fachbericht 101). Für vertikale Lasten stehts nichts in dem Fachbericht/Norm. Es gibt zwar noch diverse Sicherheitsfaktoren, so dass die tatsächliche Tragfähigkeit etwa 2,5 mal höher liegen dürfte, aber das würde ich lieber nicht austesten. We weiss wer der Wartungszustand der Geländerbefestigung tatsächlich ist. :D In dem Lastansatz nach DIN-FB sind KEINE dynamischen Lasten, wie gegenspringen oder am Seil schwingen enthalten.

Die Belastungen (Normalkraft, Eigengewicht, Biegemoment) innerhalb des Geländer ist die 2. Variante ungünstiger. Für die Geländerbefestigung ist ebenfalls die 2 Variante ungünstiger (Hier betrifft es "nur" das Biegemoment).
Ob die Schrauben zwischen Geländer und Brücke auf Schub, Druck oder Zug (aus Biegung) belastet werden hängt übrigens sehr von dem Anschlussdetail Geländer-Brücke ab. Ohne genauere Skizze sind das nur Vermutungen.

Für das Geländer ideal wäre natürlich nur eine Befestigung am Fußpunkt (nahe am Anschluß zur Brücke), da würde das böse Biegemomenrt plötzlich ganz klein werden. Wenn es am Fußpunkt nicht geht, ich empfehlen: Variante 1; zwischen den Kletterern (80 kg) ca. 1 Meter Abstand; möglichst langsam ohne in irgendeine Richtung zu schwingen abseilen.
 

Dolphiner

Geomaster
Interessanter Beitrag von Nadiphan.

Ich möchte noch zwei weitere Möglichkeiten in den Ring werfen.

Variante 3
Einbau am Geländerfuß gegenüber.
Wenn es die Location zulässt. (Radweg, Fußgänger, Autos, ICE...)
Geländer Recht dient nur als Umlenker und nimmt Last nur nach unten auf.
Hier evtl Seilschoner je nach Geländerhandlauf.
(Auf Nasen bei Verzinkung achten)
Auf den AP am Geländerfuß gegenüber kommen Zuglasen nach rechts.

Variante 4
Einbau direkt am Geländerfuß rechts.
Zugegeben, würde ich nicht gerne machen.
Da brauchste echt Eier wenn dazu noch eine Meter Luft unter Hintern hast.
Last direkt in den AP am Geländer ohne Umlenkung.
Evtl Seil/Kantenschoner an der Kante.
Hier kann man als Hilfsmittel eine Strickleiter, Bandschlinge oder Daisy Jane nehmen,
bis man auf Höhe des APs ist.
Dann, Hubschrauberausstieg.
Oder, je nach Location, Aufstieg am Seil von unten.

Alle 4, evtl gibts auch noch mehr, Möglichkeiten richten sich nach der Situation vor Ort.
Da kann man nicht vom Schreibtisch aus sagen, das würde ich so oder so machen.

Wenn 1 AP einem zu schwach erscheint oder man Zweifel hat.
Ausgleichsverankerung.
Mehrere APs wählen.
Entweder mit Riggingplatte und entspechend Bandschlingen.
Oder geeigneten Knoten verwenden. Hasenohrknoten um einen zu nennen.
Das ist aber mit der nötigen Kenntnis darin verbunden.

Soviel von mir. :D
 

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darkstain

Geocacher
Tolle Ausführungen, danke :)
Aber was ist der Hubschrauberausstieg? (Mit den Armeln wedeln bis man nach oben fliegt und dann entlasten kann?)
 

Nigel983

Geocacher
Ich tippe auf: Der Hubschrauber kommt und fliegt Dich aus!
Frag mal bei der Bergrettung! :)

Zum Topic: Sehr interessant, sich mal so ausführlich darüber Gedanken zu machen!
 

Kappler

Geowizard
Jepp, Dolphiners Variante 4 hatte ich gemeint...
Aber ein kleines Bisschen sportlich muss man dazu natürlich schon sein.

Die dritte ist bestimmt die komfortabelste, aber das sollte auf jeden Fall noch ein "Streckenposten" bereitstehen.
 
OP
kaptnblaubaer

kaptnblaubaer

Geocacher
@all
Danke für die klasse Erklärungen!

Hatte gedacht, dass Variante 2 besser als die Variante 1 sei, weil das Geländer ja mit der Umlenkung wieder nach unten gezogen wird.
Weiß jetzt auf jeden Fall das hier mit Variante 2 das Gelände mehr beansprucht wird als bei Variante 1.

Schön finde ich noch die Ergänzung der Varianten 3 und 4.

Wobei wohl Variante 4 die sicherste aber auch ungemütlichste sein wird.

Ach, ich habe ja Variante 5 vergessen, die mit dem Bohrharken mit er Akku-Hilti setzten.
Klasse Idee! ;)
Man soll ja auch an die Nachfolger denken. :lachtot:

Schöne Grüße
Kaptnblaubaer
 

Nadiphan

Geocacher
cacher_cl schrieb:
Ich nehme da immer nen Expressanker und die Akku Hilti mit ;-)

Da ist es ganz wichtig die Bauaufsichtliche Zulassung zu lesen, sonst gehts unerwarten abwärts. Da gibt es einiges zu beachten: :???:
Da wären Mindestabstand zum Rand..
Bei Expressankern muss es auch warm genug sein, dass der "Mörtel" abbindet... Staubsauger nicht vergessen! (Das Bohrloch muss staubfrei sein)... Der Anker muss i.d.R im Beton verankert werden. Da kann es nötig sein Asphalt abzupickern ...
:D Ja, ein T5 will hart verdient werden. :D
 

Nerre

Geowizard
kaptnblaubaer schrieb:
Schön finde ich noch die Ergänzung der Varianten 3 und 4.
Wobei wohl Variante 4 die sicherste aber auch ungemütlichste sein wird.

Wem bei Variante 4 das Kippen über den Rand nur mit Bandschlingen oder ganz ohne zu arg ist, der kann alternativ auch ein zweites Seil an den oberen Rand hängen, und wenns nur ein 5m Stück ist. Ins untere schonmal einhängen der Sicherheit halber, das ist klar. Dann mit einem Karabiner oder Achter per HMS-Knoten langsam ablassen bis man schön im unteren Seil hängt. Dann kann man sich auch beim Aufstieg dann z.B. mit einer Steigklemme einen schönen Griff (und mit Trittschlinge auch Tritt) ans kurze obere Seil machen um wieder gemütlich über den Rand zu kommen.
 
Dann bringe ich für die Brücke doch mal Variante 5 ins rennen... ;)

file.php


Die Brücke diesmal im Profil...
Anschlagpunkt außerhalb der Brücke an einem Baum oder am Beginn des Geländers..
An der geplanten Abseilstelle, am Boden des Geländers das Seil noch oben umgelenkt (über eine Rolle, Karabiner oder besser, Rolle - abgesichert mit Karabiner) und dann den restlichen Seilaufbau wie der ursprünglichen zweiten Variante übers Geländer geführt..

Ggf. kann man auch oben am Geländer eine Rolle einhängen und das Seil umzulenken.. Somit wird ein großer Teil der Kraft wieder zum ursprünglichen Anschlagpunkt umgelenkt... Die Belastung auf der Geländer selbst verringert sich..

Wäre ganz interessant wie das Nadiphan statisch einschätzt..

Grüße Toni
 

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Nadiphan

Geocacher
Da kann ich de_Bade nur zustimmen. Variante 5 ist kein Deut besser als V1 oder V2.
Wenn man das Seil über das Geländer führen möchte und die Kräfte günstiger als bei den Varianten 1 & 2 führen will, dann sollte das Rückspannseil möglichst nah an der Horizontaen und quer zur Brücke geführt werden. => Variante 3
 
de_Bade schrieb:
das ändert quasi garnichts. du hast nach wie vor viel last auf dem umlenkpunkt oben am geländer.
Die statische Grundlast am Umlenkpunkt wird man ja auch nicht wegbekommen, aber durch mehr ausgegebenes Seil verringert sich der Sturzfaktor, außerdem verteilt das Seil auftretende dynamische Kräfte mehr auf die Dehnung und somit werden auch wieder die Kräfte auf Anschlagpunkt und Geländer geringer... Und das ändert quasi ne Menge.

Klar, Variante 3 ist auch geeignet, diese wird aber auch in den seltensten Fällen wegen Auto, Fahrrad, Fußgänger... möglich sein.

Nadiphan schrieb:
Da kann ich de_Bade nur zustimmen. Variante 5 ist kein Deut besser als V1 oder V2.
Durch die erhöhte Zahl an ausgegebenem Seil halte ich diese Variante dennoch besser..
 

KreuterFee

Geomaster
Irgendwer hat mal gesagt:
Unendlich ist des Schlossers Kraft, wenn er mit den Hebel schafft.

Warum sollte ich ohne Not diese Hebelkräfte am Brückengeländer wirken lassen, absehen davon, das durch die Seildehnung und dadurch verursachte Reibung natürlich auch das Geländer leidet (siehe Tetraeder).
Tatsächlich habe ich bisher Nerres Variante angewendet.
D.h. Seil am Fuß des Geländers angeschlagen , KuSi oben am Geländer, und mich dann mit meiner KuSi bis unterhalb des Anschlagpunktes abgelassen.
Die restlichen Vorteile hat Nerre schon geschrieben.
 

satanklaus

Geomaster
KreuterFee schrieb:
Warum sollte ich ohne Not diese Hebelkräfte am Brückengeländer wirken lassen,
...
Tatsächlich habe ich bisher Nerres Variante angewendet.
D.h. Seil am Fuß des Geländers angeschlagen , KuSi oben am Geländer, und mich dann mit meiner KuSi bis unterhalb des Anschlagpunktes abgelassen.

Da hast du wohl recht. Alle Varianten, die das Seil erst unten anschlagen (direkt, gegenüber, weiter rechts) und dann oben umlenken haben das Hebelproblem - nur unterschiedlich stark. Ich denke sogar, dass dabei zusätzlich auch die Kräfte noch größer sind - siehe Baum: würgender Seileinbau vs. Anschlag unten und Umlenkung oben.

Ein Problem mit direktem Anschlag unten entsteht bei der Verwendung einer Ausgleichsverankerung: um den Winkel nicht > 90° werden zu lassen kann der Einstiegspunkt ins Seil ziemlich weit unten liegen, falls die beiden Ankerpunkte oben weit auseinander liegen. Dann brauchts du schon eine lange KS zum Einstieg und der Ausstieg wird auch schwieriger.
Aber das kann man mit Nerres Kurzseilvorschlag ja prima lösen.
Wobei: das muss ich ja auch oben anschlagen - mit allen diskutierten Nachteilen.

Mal ganz generell: interessanter Thread :up:
 

KreuterFee

Geomaster
satanklaus schrieb:
Ein Problem mit direktem Anschlag unten entsteht bei der Verwendung einer Ausgleichsverankerung: um den Winkel nicht > 90° werden zu lassen kann der Einstiegspunkt ins Seil ziemlich weit unten liegen, falls die beiden Ankerpunkte oben weit auseinander liegen. Dann brauchts du schon eine lange KS zum Einstieg und der Ausstieg wird auch schwieriger.
Aber das kann man mit Nerres Kurzseilvorschlag ja prima lösen.
Wobei: das muss ich ja auch oben anschlagen - mit allen diskutierten Nachteilen.

Bei Ausgleichsverankerungen gebe ich dir natürlich Recht, die brauchen ein bischen Platz, hier würde ich versuchen am gegenüberliegenden Geländer anzuschlagen, und das Seil auf dem Boden lang zu führen, hängt aber auch davon ab, wie stark frequentiert die Brücke ist.
Würde dann ungefähr so aussehen:

Brücke.JPG
 
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